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„Unsere Musik klingt fröhlich, doch der Hintergrund ist traurig.“

Auf ihrem Debütalbum „life’s a beach“ nehmen uns easy life mit auf eine Reise an die schöne britische Küste. „Da wir aus Leicester kommen, sind wir wirklich sehr, sehr weit vom Strand entfernt“, sagt Frontmann Murray Matravers im Gespräch mit Apple Music. „Bei diesem Album ging es darum, Großes zu träumen und zu versuchen, die Gedanken zu sortieren. Es ging um die Einsicht, dass das Leben auf jeden Fall besser sein kann, als es gerade ist.“ Zum großen Teil geschrieben, als sich Großbritannien 2020 im ersten Lockdown befand, wurde „life’s a beach“ zu einem Album mit zwei Seiten. Los geht es mit easy lifes verlässlich-fröhlichen Mitsing-Hymnen – die sich bei R&B, Hip-Hop, Jazz, Pop und sogar dem Musiktheater bedienen –, vom schrägen, aufbauenden „message to myself“ bis zum schulterzuckenden „skeletons“. Dann bewegt sich „life’s a beach“, weiterhin getragen von Matravers’ lockerem Sprechgesang im Jamie-T-trifft-Mike-Skinner-Stil, jedoch in trübere Gewässer. „Das Album beginnt mit dem Vorhaben, dass wir eine tolle Zeit am Strand haben werden und alles gut wird!’”, sagt Matravers. „Dann wird es langsam immer schlimmer und schlimmer.“
Der Musiker erkundet hier mit bemerkenswerter Offenheit seine dunkelsten Momente (wie im treibenden, chaotischen „living strange” und im traurigen „nightmares“) sowie jene Menschen, die ihm geholfen haben („lifeboat”). Doch wenn die Fünfertruppe mit Oliver Cassidy, Sam Hewitt, Lewis Berry und Jordan Birtles das Werk dann mit dem funkigen „music to walk home to“ ausklingen lässt, erinnern uns easy life daran, was sie schon immer waren: eine Band, die darin aufgeht, Spaß zu haben – und der genau das gelingt. „Wir beschäftigen uns auf dem Album mit einigen ganz schön ernsten Themen und wir haben Platz gefunden, um über wirklich wichtiges Zeug zu sprechen. Ich will aber echt nicht, dass man uns nun ernsthaft für tiefsinnig hält“, fügt Matravers hinzu. Der Frontmann nimmt uns hier mit auf eine Track-by-Track-Tour durch easy lifes Wirbelwind-Debüt.

„a message to myself”
In diesem Stück steckt echt viel Liebe. Ich habe meinen Teil in ungefähr 20 Minuten geschrieben und es war ziemlich nah am Freestyle. Das Instrumental kam von Bekon, der Kendrick Lamars Album „DAMN.“ produziert hat. Wir hatten uns 2016 an ihn gewandt und er schickte uns dieses Beat-Tape. Wir waren damals winzig und Kendrick Lamar war, naja, eben Kendrick Lamar. Ich hatte so etwas noch nie gehört. Als das Album entstand, dachte ich die ganze Zeit, dass es ein wirklich ungewöhnliches Intro abgeben würde. Mit diesem Track habe ich mir selbst Mut gemacht. Im Sinne von „Hey, sei ganz du selbst, du musst auf diesem Album authentisch sein, sonst werden die Leute es nicht mögen.“

„have a great day”
Dieser Song hat einen besonderen Platz in meinem Herzen, da er mit [US-Produzent] Gianluca Buccellati zwei oder drei Tage vor dem ersten Lockdown 2020 geschrieben wurde. Die Musik hatten wir schon am Köcheln und es fühlte sich einfach wie ein luftiger Crooner-Song aus den 60ern an. Es geht um einen Ausflug an den Strand. Wie bei vielen unserer Lieder begann es eher als Scherz und wurde dann zu etwas viel Ernsthafterem.

„ocean view“
Diesen Song habe ich mit [US-Songwriter und Produzent] Rob Milton geschrieben. Rob fand den Song „Loved the Ocean“ von Emilia Ali [amerikanische Singer-Songwriterin]. Wer den Track kennt, wird zu schätzen wissen, dass wir einfach ihr gesamtes Lied genommen, um einen Bruchteil beschleunigt und den Ton erhöht haben – ein Vorgang, der ungefähr fünf Minuten dauert –, dann kamen ein paar Trommeln dazu und wir sangen ihren Refrain, den gab es ja schon. Wir haben es im Grunde plagiiert. „ocean view“ ist ein weiterer Track, bei dem es ans Meer geht, aber an dieser Stelle wird das Album etwas weniger hoffnungsvoll. Wir haben es an Emilia geschickt und sie war begeistert. Sie findet es cool.

„skeletons“
„ocean view“ und „skeletons“ sind so unterschiedlich. Wir haben den Mastering-Ingenieur gebeten, den kleinstmöglichen Abstand zwischen den Songs zu schaffen, weil ich es cool fand, sie zusammenzuschmeißen. Es ist Teil der Reise von „life’s a beach“ – und nun haben wir einen völlig anderen Vibe. Es ist einer der wenigen Momente auf dem Album, in dem alles nur eine Party ist. In diesem Lied geht es darum, ein Skelett im Schrank zu haben. Du triffst jemanden und weißt, dass die Person nicht gut für dich ist, aber auf eine ziemlich verlockende Weise. Ich glaube, wir alle tappen in diese Falle. Mir ist das ganz sicher jedes Wochenende passiert.

„daydreams“
Dieses Lied habe ich während des Lockdowns geschrieben. Ich denke, jeder kann es irgendwie nachvollziehen, wenn es heißt: „Lass uns einfach trinken und kiffen, in der Hoffnung, dass uns dann weniger langweilig ist, wobei es wahrscheinlich immer noch ziemlich langweilig sein wird.“ Es geht aber auch darum, andere zu vermissen. Ich habe es zwar in die romantische Richtung gedreht, generell weitet sich das aber auch auf Freundschaften und Familie aus.

„life’s a beach (interlude)”
Wir hatten eine Million Interludes zur Auswahl. Wir haben uns für dieses entschieden, weil es in der richtigen Tonart war, um von „daydreams“ in „living strange“ überzugehen. Es ist ein schöner Weg, von A nach B zu kommen.

„living strange“
Das ist ein alter Song. Ich habe ihn mit meinem älteren Bruder geschrieben. Wir stehen uns sehr nahe und können über alles reden. Normalerweise wird es düster, wenn wir Musik schreiben, weil ich mit so Sachen ankomme wie: „Da passiert dieser ganze Mist, es ist schrecklich“ und er sagt dazu: „Okay, lass uns ein Lied darüber schreiben.“ Damals lief es nicht so gut bei mir. Mittlerweile bin ich raus aus dem Ganzen, aber damals fühlte sich alles ein bisschen wie ein Wirbelsturm an und mein Bruder fing das perfekt ein. Das hier ist die erste Gesangsaufnahme. Ich könnte sie so nicht noch mal machen – durch diesen Take sickert eine Paranoia. Das Album brauchte einfach etwas von diesem selbstzerstörerischen End-of-the-World-Kram.

„compliments“
Dieser Track wurde mit [dem in Leeds ansässigen Produzenten und Mixer] Lee Smith gemacht. Ich stellte ihn Rob [Milton] vor. Wir waren gemeinsam in einem Raum und Lee meinte: „Ihr seid einfach großartig.“ Rob und ich fanden das irgendwie peinlich. Es ist schwer, ein Kompliment anzunehmen. Wir haben das Lied sofort danach geschrieben. Es ist erhebend und positiv, vor allem, weil die Akkorde so melodisch und schön sind. Aber es gibt auch ein Element, bei dem es um gescheiterte Beziehungen und Funkstille geht.

„lifeboat“
Also nun sind wir offensichtlich in der zweiten Hälfte des Albums angekommen, wo langsam alles den Bach runtergeht. Das Rettungsboot ist eine Metapher für jemanden, der dir aus einem miesen Moment herausgeholfen hat. Es gibt unzählige Menschen, die das für mich getan haben. Mit diesem Lied ziehe ich sozusagen meinen metaphorischen Hut vor ihnen. Musikalisch wollte ich, dass es total nach den 70er-Jahren klingt, glatt und fast kitschig ist. Aber auf die Art, mit der Outkast etwas total Kitschiges machen würde, das dann einfach nur verdammt cool klingt. Es war, als hätte ich versucht, unsere beste André 3000-Impression zu hinterlassen.

„nightmares“
Ich finde immer, dass der Großteil unserer Musik ziemlich fröhlich klingt. Die meisten Sachen, die mich zum Schreiben anregen, sind allerdings ziemlich traurig. Albträume waren für mich immer Sachen, die sich vor aller Augen verstecken. Klar, die Musik klingt hymnisch, aber eigentlich denke ich, dass es unser traurigstes Lied ist. Es ist offensichtlich ein klarer Gegensatz zu „daydreams“. Du tagträumst am Anfang des Albums, aber dann landest du in einem Albtraum.

„homesickness“
Es ist ein Song, der mir nah geht. Wir haben früher viel Zeit in Amerika verbracht. Rückblickend wünschte ich, ich hätte das mit mehr Begeisterung genossen, denn eigentlich hat es viel Spaß gemacht. Stattdessen habe ich die meiste Zeit mit Heimweh verbracht. Es begann mit einem Arpeggio-Akkord, der sich durch den gesamten Track zieht. Ich erinnere mich, dass ich im Studio war und mir beim ersten Anhören wirklich Tränen in die Augen stiegen.

„music to walk home to“
Wir haben für diese Platte mit [dem britischen Songwriter und Produzenten] Fraser T. Smith zusammengearbeitet. Wir hingen in seinem Studio rum, schrieben Texte und betranken uns ganz schön – also so richtig. Wir hörten damals viel von Fela Kuti und fingen gerade an, ein Instrumental einzuspielen. Ich hatte grobe Punkte dazu aufgeschrieben, wie es wäre, vom Bahnhof zu meinem Haus zu gehen und welche Orte ich dabei passieren würde. Ich holte ein Mikro und nahm es gegen ein oder zwei Uhr morgens in einem Take auf. Weil ich ein bisschen daneben war, brachte ich viele Wörter durcheinander und habe das bewusst drin gelassen. Ich habe mich in das fertige Lied verliebt. Ich fand es einfach zu lustig. Als letzter Track ergibt es Sinn – du hast dich auf diese aufwendige Reise der Selbstfindung begeben und nun ist es Zeit, in die Wohnung zurückzukehren, Bilanz zu ziehen und von vorne anzufangen. Es war wichtig, einen Track aufzunehmen, der ein einziger Witz war.

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